Jetzt mal im Ernst: Wir brauchen uns keine Illusionen mehr machen, dass es noch einmal warm wird. So schwer es mir fällt, aber ich werd wohl meine Pseudosommerkleider (die ich eh nie angezogen habe) in die hintere Ecke meines Kleiderschranks verbannen und die schrecklich warmen Pullis nach vorn räumen müssen. Die Heizung läuft ja sowieso so schon seit ein paar Wochen durch. Den kleinen Dreifußgrill hab ich endlich von der herunter geglühten Kohle befreit und zusammengebaut. Jetzt steht er da ganz traurig im Keller herum und hält seinen zwangsverordneten Winterschlaf. Der Wasserkocher hingegen darf jetzt erst so richtig ran und mir zweimal täglich heißes Teewasser brauen. Und dabei trink ich gar nicht so gerne Tee. Aber irgendwie veranlasst mich dieser nichtaufhören wollende Regen vor meinem Fenster, mir das Zeug literweise einzuflößen.

Und nun fuhr ich heute in den Supermarkt, (und man plant seine Supermarktbesuche jetzt ja viel intensiver, wegen der Kälte und Dunkelheit und so) und musste mir erst einmal ein paar Dominosteine und Mandelprinten kaufen, bevor es bald keine mehr gibt. Ich steh ja total darauf, wenn Anfang September endlich wieder dieser süße Weihnachtskram in den Regalen steht. Ich bin genau die Person, für die diese Leckereien in den Supermarkt gescharrt wurden. Ich bin die Zielperson. Und dann stelle ich mir immer vor, dass andere Leute sich übermäßig aufregen, dass es das jetzt schon gibt und dass sie sich fragen, wer das kaufen wird. Und dann komme ich daher und mache mein Körbchen damit voll.

Vorweihnachtszeit ist sowieso nach dem Sommer die schönste Zeit des Jahres. Und weil ich dazwischen keine Lust auf den hässlichen Herbst habe (Alliteration, meine Damen und Herren!) beginnt meine persönliche Vorweihnachtszeit schon jetzt. Diese ganzen Lichter überall in der Stadt, die Kerzen und die weihnachtlichen Gerüche machen mich glücklich. Ich freu mich auf Vanillekipferl und den Cinnamon-Latte, den es bald in allen Kaffeeläden geben wird. Auf Glühwein und gebrannte Mandeln vom Weihnachtsmarkt.

Worauf ich mich aber gar nicht freue ist, neben der bescheuerten Kälte und dem Schnee, das eigentliche Weihnachtsfest. Ich finde ja, dass man das gar nicht braucht. Es ist irgendwie jedes Jahr das gleiche. Meine Mom macht sich voll den Stress mit dem Weihnachtsessen und allem, ist total genervt und irgendwo entsteht sowieso wieder ein Geschwisterstreit und die Stimmung ist angespannt. Es gibt jedes Jahr dieselben komischen ostdeutschen Plätzchen, die ich nicht mag, aber ich bin zu höflich und gut erzogen, das nicht meiner Mom zu sagen. Und dann immer die gleichen Geschenke und der gleiche Tagesablauf. Wahrscheinlich sehe ich das zu negativ. So ist Weihnachten nun mal. Und wenn sich die Familie das Jahr über nicht so oft sieht, ist es ja schön ein paar Tage so unfassbar traditionell und routiniert miteinander zu verbringen.

Aber ehrlich gesagt, habe ich darauf dieses Jahr keine Lust. Ich will das Weihnachtsfest woanders, anders erleben. Diesen Wunsch hatte ich schon letztes Jahr und das Jahr davor. Aber man kann ja nicht ganz alleine feiern, also braucht man jemanden, der das genauso sieht. Jemanden, der auch ganz böse unkonventionell denkt, was Weihnachten angeht. Den findet man nicht so leicht. Schließlich kehrt doch jeder Punkrocker an Weihnachten brav zu seiner Familie heim. Dieses Jahr allerdings sieht es gut aus für mich. Ich habe zwei Optionen. Ich könnte eventuell mit einem guten Freund nach Finnland fahren. Und zwar dorthin, wo der Weihnachtsmann wohnt. Ja, genau. Das dürfte zwar ziemlich kalt werden, aber sicher auch spannend. Die andere Möglichkeit wäre, dass ich einen Freund in Wien besuche. Da war ich nämlich noch nicht und ich kann mir gut vorstellen, dass Wien zur Weihnachtszeit schön kitschig österreichisch ist. Kaiserschmarrn und Mozartkugeln, hurra. Da hätte ich große Lust drauf. Hauptsache ist eigentlich, an einem anderen Ort zu sein.

Ich habe erst/schon dreimal in meinem Leben das Fest außerhalb meiner Familie verbracht. Dreimal in Amerika. Davon einmal bei meiner Gastfamilie im schön verschneiten Chicago und zweimal im sonnigen Florida. Weihnachten in den USA ist sowieso sehr speziell. Das weiß man ja. Alles ist so übertrieben. Aber irgendwie auch cool. Die mit Weihnachtskugeln dekorierten Palmen in Florida fand ich sehr skurril und dass man dort natürlich keine echten Weihnachtsbäume bekommt, weil Nadelbäume dort nun mal nicht wachsen. Aber ich liebte das amerikanische Weihnachtsessen, meinen eigenen Stocking über den Kamin hängen zu sehen und den Caramel-Apple Cider (der heißt jetzt anders) von Starbucks, der hier in Deutschland wahrscheinlich aufgrund des zu extremen Zuckergehalts verboten ist.

Nun gut. Bis Weihnachten sind es ja noch dreieinhalb Monate. Vielleicht wird es ja doch noch einmal warm. Vielleicht kann ich meine Sommerkleider doch noch einmal nicht-anziehen. Schließlich ist es kalendarisch noch nicht mal Herbst. Wieso sollte ich hier also schon von Winter schreiben? Denkt sie sich und isst den nächsten Dominostein.