Wie ich versuchte einen Arzttermin zu bekommen

Aus Gründen muss ich mal wieder zum Arzt. Ich bin nicht krank, aber eine bestimmte Vorsorgeuntersuchung steht an. Da ich bekanntlich vor einiger Zeit aus Berlin in die pulsierende Metropole Marburg gezogen bin, benötigte ich einen neuen Arzt. Einen, der neue Patienten aufnimmt, wie ich später erfahren sollte. Dass das ein Unterfangen werden würde, war mir nicht bewusst.

So googlete ich zackzack eine Telefonnummer bei einer Ärztin hier in der Nähe. Anrufbeantworter. Eine freundliche Stimme wünschte mir erst noch einen guten Tag, bevor sie mich genervt darauf hinwies, dass ich außerhalb der Sprechzeiten anrufe. Es war Montag Mittag. Okay, dachte ich. Die Herrschaften sind am Essen. Gegen 15:30 klingelte ich erneut. Besetzt. Um 16:03 wieder der Anrufbeantworter. „Sie rufen außerhalb unserer Sprechzeiten an. Diese sind … Montag von 15-16 Uhr …“ Ich hatte das Gefühl, die Dame klang dieses Mal noch genervter, weil ich mir beim ersten Mal nicht gemerkt hatte, wann denn nun die Sprechzeiten sind.
roll:
Dienstag Punkt 15 Uhr rief ich wieder an. Oha, ich erreichte eine echte Sprechstundenhilfe an der anderen Leitung. „Ja, Hallo. Ich möchte gern wissen, ob ich bei Ihnen einen Termin bekommen könnte.“ – „Waren Sie schon mal bei uns?“  – „Nein, ich bin neu in der Stadt. “ – „Tut mir leid, wie nehmen keine neuen Patienten mehr auf.“ Pah. Mir doch egal. Es gibt schließlich noch neun andere Ärzte. Dachte ich.

Bei Ärztin Nummer zwei und drei das gleiche. Zu viele bestehende Patienten, keine Chance für Neue. Langsam machte sich bei mir die Befürchtung breit, dass es wohl doch nicht so einfach werden würde. Arzt Nummer vier war zwar etwas weiter weg, aber die Rezensionen im Internet klangen vielversprechend. Ich läutete. Mit schon fast bettelnder Stimme fragte ich nach einem Termin. Die Gehilfin hatte Mitleid und bot mir den Januar an. Januar 2011? Ja. Öhm. Nein, danke. Ich wollte eigentlich nächste Woche vorbeischauen. Next. Bei Ärztin Nummer fünf war besetzt. Die Ärztin Nummer sechs hatte wieder einen schönen Anrufbeantworter. „Sie rufen außerhalb unserer Sprechzeiten an…“ Dieses Mal schrieb ich mir auf, wann jene sind. Ha. Mit mir nicht. Ich krieg euch alle.

Das Highlight erreichte mich bei Ärztin Nummer sieben. Wieder ein Anrufbeantworter und gerade als ich meinen Stift zücken und mir die zu sprechenden Zeiten notieren wollte, erklang es: „Frau Dr. …  hat zum 01.07. ihre Praxis für alle Kassenpatienten aufgegeben. Ab dem 01.07. führt Frau Dr. … ihre Praxis ausschließlich für Privatpatienten.“ Wow. Kapitalistische Schnepfe.

Ich versuchte es noch fünfmal bei der Ärztin Nummer  fünf. Weiter besetzt. Langsam gingen mir die Telefonnummern aus. Zumal ich nicht zu den letzten beiden greifen wollte. Jemand hatte sie im Internet mit ungenügend bewertet. Ärztin Nummer acht musste es jetzt einfach sein. Ich setzte alle Hoffnungen in sie. Flehte die Sprechstundenhilfe an, erklärte, dass ich hergezogen bin und doch nichts dafür könne, „neu“ zu sein. Sie hatte Erbarmen. „Für Dezember könnte ich Ihnen was geben.“ Ey, Leute. Wollt ihr mich verarschen? Ich beschloss die Suche für den heutigen Tag zu beenden und es am Mittwoch nochmal bei den vorherigen Nummern zu den richtigen Sprechzeiten zu versuchen.

Mittwoch. 10 Uhr morgens. Ich habe noch vier mögliche Telefonnummern. Die müssen es sein. Ärztin Nummer fünf war immer noch besetzt.Die Sprechstundenhilfe bei Ärztin Nummer sechs nahm ab, begrüßte mich freundlich. Wir unterhielten uns. Sie lachte verschmitzt mit mir, als ich ihr sagte, dass ich schon bei so vielen Ärzten angerufen habe und es ja so schwierig sei, einen Termin zu kriegen. Sie sagte: „Wir nehmen gern noch neue Patienten auf. Kein Problem.“  Ich war voller Hoffnung und hüpfte schon gedanklich im Kreis. „Ab März kann ich Ihnen gern einen Termin geben.“ März, also in fünf Monaten? Ich war der Verzweiflung nahe.

Dann kam mir ganz plötzlich der Gedanke, dass ich ja in vier Wochen zurück in Berlin sein werde und dann könnte ich ja zu meiner dortigen Ärztin gehen. Da bin ich nämlich nicht „neu“. Ha! Und so kam es, dass ich dort anrief und es klingelte und klingelte. Ich checkte die Sprechzeiten im Internet. Ja, Mittwoch von 8-12 Uhr. Es klingelte weiter und nach dem zwanzigsten Mal nahm jemand ab und schrie „Kleinen Moment mal, bitte“ und legte den Hörer daneben. So konnte ich alles hören, was sich gerade in der Praxis abspielte. Kindergeschrei, eine Unterhaltung zwischen den Sprechstundenhilfen, und dass Frau Marchisky jetzt zu der Frau Doktor ins Zimmer gehen kann. Viel Glück, Frau Marchisky!

Nach zehn Minuten, die ich da am Telefon hing, legte ich auf. Ich glaube, sie hatten mich vergessen oder ignoriert oder was auch immer. Drecksverein. Also, zurück nach Marburg. Die letzten zwei Nummern. Die eine war besetzt. Bei Nummer zehn ging die Auszubildende Katrin ans Telefon. Anfang November könne ich vorbeikommen. Alles klar. Deal. Abgemacht. Klick klack. Check check.

Und jetzt frage ich mich die ganze Zeit, warum das so schwierig war. Liegt es daran, dass in dieser blöden Provinz zu wenig Arztkonkurrenz herrscht, dass sie mit ihren potentiellen Kunden machen können was sie wollen. Oder haben wir tatsächlich einen Ärztemangel in Deutschland? Nun denn. Sei’s drum. Ich hab meinen Termin und muss nun nicht sterben.

Categories: Leben

5 Gedanken zu “Wie ich versuchte einen Arzttermin zu bekommen

  • schlafwandlerin

    Auf welcher Seite hast du dir denn die Ärzte-Bewertungen angeschaut?

  • tobi

    oh man, mein beileid!

    scheint wohl tatsächlich am schleichenden ärztemangel zu liegen. es ist ja in berlin nicht unbedingt anders, nichtmal beim allgemeinmediziner (oder man stellt sich auf mehrere stunden kranke menschen im wartezimmer angucken ein).

    es ist ja aber auch kein wunder. die meisten ärzte sind alt und es gibt irgendwelche richtlinien wieviel ärzte auf potentielle patienten (=einwohner im einzugsgebiet) kommen dürfen. von daher kann man wohl nicht einfach irgendwo als junger arzt eine praxis eröffnen.
    dass würde übrigens ohne den finanziellen background eh nicht gehen (wer hat den schon als frisch ‚ausstudierter‘?). der liegt meines wissens im 6-stelligen bereich um sich eine lizenz oder wie man das dort nennt, zu kaufen.

    dass kassenpatienten eh immer ungerner gesehen werden, ist ja leider auch ein fakt.
    das viele geld, dass wir zahlen kommt ja nicht denen sonderen den krankenkassen zu gute (was machen die damit für mich??)…

    that’s business, that’s capitalism.
    weißte doch 😉

  • tavan

    << […]aber die Rezessionen im Internet klangen vielversprechend.

    …und du warst zu dieser Zeit wirklich BWL-Studentin?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert