Großvaters Partnersuche

oder wieso Dating im 21. Jh anders funktioniert

Gestern hatte ich ein Bewerbungstrainingsseminar. Darin erzählt uns die freundliche und kompetente Personalerin unter anderem, wie man richtige Anschreiben und Lebensläufe gestaltet. Erstaunlich, was und wie viel sich doch in den letzten 10 Jahren dahingehend verändert hat. (Schöne Grüße an meine ehemalige Deutschlehrerin. Mit den damaligen Regeln und Konventionen für eine Bewerbung würde ich heute wahrscheinlich ein fremdschämendes Gelächter in der Personalabteilung auslösen.)

Danach traf ich mich kurz mit einem Typen, der mich zum Schreiben dieses Blogeintrags anregte. Denn seine Vorstellungen, wie man Mädchen heutzutage „datet“, nett zu ihnen ist oder sie angeblich für sich gewinnt, waren so schockierend altmodisch, dass ich immer noch zwischen Unglaubwürdigkeit, Entsetzen und Verhöhnung hin und her schwanke.

Kennengelernt hatte er mich (ja, so war das), als ich einen Kurs unterrichtete, an dem er als Student teilnahm. Danach half er mir noch kurz mit dem Abbau der Materialien und fuhr mich noch zum Bahnhof.

Ein paar Tage später bekam ich eine E-Mail von ihm. Anscheinend recherchierte er meine Adresse. Kaffee Trinken? – Super, ich liebe Kaffee. In der E-Mail hatte er nur seine Festnetznummer angegeben. Warum, erzähl ich später.

Das „Date“ verlief eher suboptimal. Kein Kaffee, sondern „weil das Wetter so schön ist“, ein Spaziergang an der Oder (also dem Fluss). Äh. Ja. Nagut, das Wetter war ja schön. Dann das übliche Blabla; was man macht, Interessen, Hobbies, Musik, Bücher, Filmgeschmack. Er fiel gnadenlos durch. Keine Hobbies, kein Sport (nicht einmal Fußball gucken). Musik? Eigentlich alles… Das ist kein Musikgeschmack, dachte ich mir da und musste schmunzeln. Filmgenres waren ihm auch egal. Wie anspruchslos. Feiern und Weggehen? Auch negativ. „Ein schöner Videoabend zu Hause ist doch viel gemütlicher.“ Video. Schon mal was von DVDs gehört? Jedenfalls mag er keine Partys, keine Bars, keine Clubs. Für mich geht das gar nicht. Ich bin doch noch keine 50. Und er auch nicht.

Und dann kam das Thema Social Networks. Nicht nur, dass er bei keinem einzigen angemeldet ist (ist ja nachvollziehbar), er hat auch noch ganz komische Gründe dafür, weshalb er mir seine Handynummer erst nicht geben wollte. Anscheinend hat er ein mächtiges Verfolgungsproblem, und denkt, die böse Welt da draußen legt es nur auf seine geheimen Daten (Beziehungsstatus, Interessen, Lieblingsbücher) an und wird sie gnadenlos missbrauchen, sobald sie auch nur irgendwo im Internet auftauchen. Ich hätte ja ein schreckliches Ungeheuer sein können, das seine Handynummer an böse Unternehmen verkaufen könnte. Überall lauern fiese, dämonische Menschen, die ihn abzocken oder betrügen wollen.

Als ich das hörte, wollte ich eigentlich nur schnell weg. So einen pessimistischen, bizarren, realitätsgestörten Typen wollte ich mir nicht weiter antun. Als er merkte, dass ich mich nun schnell und damit ins Nimmerwiedersehen verabschieden wollte, zog er seine pseudo-romantische, fremdschämende und bemitleidenswerte Masche ab. Er überreichte mir beim Händeschütteln ein in einem Stein eingearbeitetes Kleeblatt. Und sagte so überkandidelt „den will ich beim nächsten Treffen wiederhaben. Der ist mir sehr wichtig.“ Wie lame. Ich dachte mir nur, „den schick ich dir mit der Post zurück.“

 

Dann folgten ein paar E-Mails von ihm, auf die ich nicht antwortete. In einer schrieb er so melodramatisch, dass er noch einmal über meine Worte bezüglich des „sehr allgemeinen Musikgeschmacks“ und der „zu starren Ansicht des Datenschutzes“ nachgedacht habe, und ich ja eigentlich Recht hätte und ihm da die Augen geöffnet hätte, bla bla bla.

Nach mehreren Wochen, in denen ich mich nicht gemeldet habe, schrieb er am Montag dieser Woche, ob wir uns nicht noch einmal treffen könnten, damit ich ihm seinen Stein zurückgeben kann. Ich stimmte zu, da ich dachte, die Geschichte finde nun endlich ein Ende. Als ich ihm nach dem Seminar sah, hatte er eine rote Rose dabei. WTF?! Was soll denn das? Wir haben uns nur einmal höchstens eine Stunde gesehen und nun ne Rose? Also, ich kenne keine Frau, die das romantisch und toll findet. Das ist einfach nur gruselig.

Letztendlich habe ich ihm gesagt, dass ich jetzt einen Freund habe (stimmt auch). Ich denke, er hat es nun kapiert.

Ein paar ganz einfache Dating-Tipps für Jungs zum Schluss: Seid interessant und langweilt die Mädchen nicht. Seid witzig und unterhaltet sie. Versteht was von der Welt und zeigt es. Seid um Gotteswillen nicht befremdlich oder unheimlich oder merkwürdig. Verhaltet euch eurem Alter angemessen, d.h. benehmt euch nicht zu alt oder zu jung. Habt eine Meinung zu den wichtigen Dingen des Lebens. Habt Freunde, Spaß und Interessen. Gebt den Mädchen nicht das Gefühl, ihr habt nur auf sie gewartet. Seid freundlich, aber bewahrt euch etwas Mystik.

Categories: Leben

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